Mordwand-Feeling für jedermann: Ein Klettersteig am Eiger macht’s möglich

Mordwand-Feeling für jedermann: Ein Klettersteig am Eiger macht’s möglich

Auch normale Bergsteiger können die berüchtigte Eiger-Nordwand erleben. Ein Klettersteig macht das möglich. Früher tummelte sich dort die High Society von Grindelwald, um die wagemutigen Kletterer zu beobachten.

Ein Gastbeitrag von Christian Schreiber

Die Eiger-Nordwand in Grindelwald ist ein gewaltiges Monument der Natur. 1650 Höhenmeter Stein gewordene Kraft. Ästhetisch, majestätisch, bedrohlich und Herz erwärmend zugleich. Seit jeher ranken sich Geschichten und Mythen um den Berg, der den schweizerischen Ort Grindelwald (BE) bewacht. Viele dramatische Ereignisse haben sich dort abgespielt. Deswegen wird die Nordwand gerne auch als Mordwand bezeichnet.

Was aber selbst in Bergsteigerkreisen kaum jemand weiss: Es gibt einen relativ einfachen Klettersteig am Westzipfel des Berges, den man in zwei Stunden gut bewältigen kann. Nordwand-Feeling für jedermann, näher kommt man als Normalo nicht ran. Man streift die berühmte Route, kann Schlüsselstellen erspähen und sich ein Stück weit in die Lage der Kletterer versetzen, die mit der Wand kämpfen. 

Schon beim Losgehen hat man das Ziel vor Augen und blickt auf die imposante Bergwand.

Der Eigerfels ist kalt, als die kleine Gruppe den Rotstock-Klettersteig angeht, der auf 2663 Meter führt. Die Wand liegt selbst im Hochsommer bis zum späten Nachmittag im Schatten. Ein gewisses Mass an bergsteigerischen Fähigkeiten muss man mitbringen. Auch sollte man beim Blick gen Tal keine weichen Knie kriegen. Vor einigen Jahren wurde der Klettersteig restauriert und wiedereröffnet. Er ist nicht besonders schwierig, aber Bergsteiger benötigen eine Selbstsicherung. Sie tragen einen Gurt um Hüfte und Schenkel, mittels Karabinern hängen sie sich in Stahlseile ein, die entlang der Route verlaufen. So wird im Notfall ein möglicher Sturz gebremst und grösseres Unglück verhindert.

Ein Klettersteig mit einer langen Geschichte

Der Steig stammt noch aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, war aber fast hundert Jahre lang stillgelegt. Kletterer stossen heute noch auf Relikte aus der Anfangszeit, wie abgebrochene Seilsicherungen. Allein eine Reihe in den Fels gehauene Stufen hat ein Jahrhundert Schnee und Eis unbeschadet überstanden. Anfang des 20. Jahrhunderts tummelte sich auf den wenigen kinderleichten Metern des Steigs die High Society von Grindelwald. Herren mit dicken Zylindern und Frauen mit langen schweren Röcken nutzten einen Ausstieg aus dem Tunnel, in dem die Zahnradbahn durch den Eiger verkehrt, um sich in der Nordwand zu gruseln.

Gut gesichert kann man am Klettersteig trotz Nervenkitzel den ein oder anderen Seitenblick geniessen.

Sie wollten hautnah erleben, wie sich wagemutige Kletterer durch die mörderische Wand kämpften. Ein Rückzug war für die betuchte Gesellschaft jederzeit möglich. Für jene, die in der Nordwand hängen, gab und gibt es keinen Ausweg. Lange Zeit galt diese Seite des Eigers als das alpinistische Problem der Alpen schlechthin. Erst 1938, 80 Jahre nach der Erstbesteigung, schaffte es eine Vierer-Seilschaft um Heinrich Harrer und Anderl Heckmair über die Nordwand auf den Gipfel. Nach letzterem ist die Route seither benannt und für viele, selbst sehr gute Kletterer, ist sie heute noch die ultimative Herausforderung.

Der Aufstieg erfordert Schwindelfreiheit und ist auch bei letzten Schnee-Resten bereits begehbar.

Drama am Berg


Die Unglücks-Liste der Nordwand ist entsprechen lang, ein Drama führte sogar zu einer Verfilmung: Drei Bergsteiger sind schon verunglückt, als letzter seilt sich Toni Kurz ab. Nur wenige Meter über den Köpfen der Retter geht im die Kraft aus. Auch er stirbt. Dieses Drama wurde zur Vorlage für den Film „Nordwand“ im Jahr 2008.

Dabei haben Regisseure das Grusel-Potenzial des Eigers schon Jahre vorher entdeckt: Clint Eastwood kletterte einst „Im Auftrag des Drachen“ am Felsen über Grindelwald. „Da haben sie gedreht“, erklärt der Bergführer an unserer Seite. Staunend schaut man die steile Wand empor und ist sich sicher, dass Eastwood hier gedoubelt wurde.

Auf den letzten Metern: Nach sportlicher Anstrengung ist das aussichtsreiche Ziel zum Greifen nah.

Im letzten Drittel der Klettersteig-Route geraten die Dramen und Erfolgsgeschichten, die hier am Eiger geschrieben wurden, in Vergessenheit. Dann bekommt der Bergsteiger die Belohnung für seine Mühen. Die Sonne scheint mittlerweile auf die bunten Kletterhelme und vor der Gruppe breitet sich ein alpines Panorama aus, das es kein zweites Mal gibt und das von der UNESCO sogar zum Weltkultur-Erbe erhoben wurde: die Gletscherwelt zu Füssen der Jungfrau. Millionenfach funkeln die Schneekristalle. Die Nordwand des Eigers ist jetzt nicht mehr einsehbar. Aber wir haben nun eine klitzekleine Ahnung, wie sich echter Eigerfels anfühlt.  

Rotstockgipfel: Auch wer „nur“ den Klettersteig erklimmt, bekommt eine klitzekleine Ahnung, wie sich echter Eigerfels anfühlt. Und die Aussicht ist ohnehin grandios.

Infos

Bergwelt Grindelwald

Die Bergwelt ist das neueste Hotel in Grindelwald und die ideale Adresse für Wanderer und Bergsteiger. Wer Fragen zu einer Tour, zu einem Gipfel, zu einer Kletterroute hat, bekommt garantiert eine kompetente Antwort. Und zwar gleich von der Spezialistin schlechthin, Tanja Münker. Die Hotel-Direktorin kennt sich hervorragend aus, obwohl sie aus dem deutschen Flachland stammt. Aber sie macht keinen Hehl daraus, dass Grindelwald stets ihr Traumziel zum Leben und Arbeiten war. Von ihr geht eine positive Bergsteiger-Energie aus, die sich durch das ganze Haus zieht. Die Mitarbeiter sind jung, motiviert und engagiert. Der Gast fühlt sich aufgehoben, geerdet, umsorgt, frei und glücklich. Mehr Infos unter www.bergwelt-grindelwald.com

Weitere Touren

Eiger-Trail
Es muss ja nicht gleich der Rotstock-Klettersteig sein. Auf dem Eiger-Trail hat man schliesslich auch Nordwand-Feeling. Wanderer fahren mit Berg- oder Zahnradbahn bis zur Station Eigergletscher und laufen hinunter nach Grindelwald – alles am Fuss der Nordwand.

Cliff Walk

Mit der First-Bahn nach oben, um den Felsenweg samt Hängebrücke und Aussichtsplattform zu erleben. Letztere ist 45 Meter lang und hat einen Glasboden, der für viel Nervenkitzel sorgt. Die Brücke ist 34 Meter lang, unten drunter 80 Meter Luft.

Biketour Bussalp

Wer dem Trubel entfliehen will, schnappt sich ein Velo und startet eine Biketour zur Bussalp. Stets im Blick: die gegenüberliegende Seite mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Die Tour lässt sich z.B. bis zur Grossen Scheidegg ausdehnen. Dafür empfiehlt sich aber ein E-Bike, weil es einige saftige Steigungen gibt. 

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