Internationale Versöhnung in der Halong Bay

Internationale Versöhnung in der Halong Bay

Die Halong Bay ist die bekannteste Sehenswürdigkeit in Vietnam, eines der sieben neuen Weltwunder (und wird von der UNESCO völlig zu Recht als solches anerkannt). Dem Besucher eröffnet sich ein einzigartiges Naturschauspiel; eine wunderschöne Bucht mit über 2000 Inseln. Die wenigsten davon bewohnt.

Von Hanoi aus werden unzählige Möglichkeiten angeboten, zur Halong Bucht zu gelangen – vom Tagesausflug bis hin zur mehrtägigen Kreuzfahrt. Ich entscheide mich für eine zweitägige Tour mit einer Übernachtung auf einem mittelgrossen Schiff, der Garden Cruise 1. Am ersten Tag warte ich im Hotel um 8 Uhr geduldig auf den Minibus. Mit erheblicher Verspätung trifft er endlich ein. Keine Überraschung, musste sich doch der Fahrer durch den chaotischen Morgenverkehr Hanois durchkämpfen, um die einzelnen Reiseteilnehmer von verschiedenen Hotels aufzusammeln. Als die zusammengewürfelte Gruppe komplett ist, kann das Abenteuer beginnen.

Halong14 Zwischenstopp im Souvenirshop

Nach einer 3,5-stündigen Fahrt inklusive „Pipi-Halt“ in einem Souvenirshop in der Pampa, treffen wir endlich am Einschiffungsort ein. Das Ganze ist sehr professionell organisiert: auf unseren Minibus warten die Gäste, welche die Reise am Vortag angetreten hatten und nun nach Hanoi zurück wollen. Auf kleinen Booten werden wir zu unserem Schiff gefahren und können dort die Kabinen beziehen. Ich habe das Glück, dass mir die Kabine Nr. 201 zugewiesen wird – Oberdeck mit eigenem, privatem Balkon.

Nach diesem gelungenen Anfang geht es gleich zum schmackhaften Mittagessen. Die erste Gelegenheit, meine Mitreisenden kennen zu lernen. Eine wirklich sehr heterogene Gesellschaft: zwei schottische, ein französisches, ein polnisches und ein gemischtes, deutsch/französisches Pärchen. Dazu zwei ältere deutsche Biker, der vietnamesische Guide und ich. Alle Altersgruppen werden repräsentiert, von 20 bis 70. Es folgte die Abtast- und Kennenlernphase und schnell stellt sich eine gute Stimmung ein. Das gute Essen und der ebenso gute Weisswein halfen dabei, keine Frage.

Halong19Für zwei Tage das Zuhause von Gianni: Die Garden Cruise 1

Rückblickend war für mich das Faszinierende an diesem Ausflug nicht das gebotene Programm oder die Schönheiten der Bucht (auch wenn dies ein bisschen undankbar klingt). Der eigentliche Höhepunkt war das Zusammenfinden der verschiedenen Charaktere, die für 24 Stunden eine Art „Schicksalsgemeinschaft“ bildeten.

Das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde am Abend unter anderem durch das gemeinsame Erlernen der Zubereitung von vietnamesischen Frühlingsrollen gestärkt. Nach dem Nachtessen und trotz kühlen Temperaturen trafen sich die gestandenen Teilnehmer auf Deck zu weiteren Drinks und Zigarren. Die jüngeren Damen gingen früh zu Bett, sodass sich auch Ihre Partner unserer Gruppe anschlossen.

Halong3Ein Naturspektakel: Die Halong Bay

Die Diskussionen waren lebhaft und interessant. Da schwärmte der Schotte vom seinem tollen Whisky, dem einzig wahren. Dieser sei nur in Schottland zu haben. Und dieser helfe ihm, seinen Kummer über das für ihn schlecht ausgegangene Unabhängigkeitsreferendum zu vergessen. Die Polen waren bemüht, die Schönheiten ihres Landes zu preisen und klar zu machen, dass sie für die Russen keinerlei Sympathien hätten – im Gegenteil. Die deutschen Kollegen – der eine Ingenieur, der andere bis vor kurzem Besitzer eines Zulieferers von VW und seit dem Verkauf Privatier – lobten aus eigener Erfahrung die gute Qualität der Produkte, die in Polen hergestellt werden. Es kam wie es kommen musste: die deutsch-polnische Versöhnung im kleinen Kreis war perfekt. Und Marco – der deutsche Teil des deutsch-französischen Pärchens – hatte sich gerade mit seiner Freundin verkracht und erklärte mir, wie schwierig es sei – bei aller Offenheit für die französische Kultur – mit drei Franzosen und der Feinheit der Sprache mitzuhalten.

Auch ich bekam natürlich mein Fett weg – den Schweizer Bonus gibt es wirklich nicht mehr. Unsere Neutralität, unsere Steuerstreitigkeiten mit dem Ausland, unsere Ausgrenzpolitik – alles Angriffspunkte, die ich so souverän wie möglich zu kontern versuchte (dabei konnte ich erstaunlicherweise auf die Unterstützung der deutschen Kollegen zählen). Irgendwann gingen wir doch noch für ein paar Stunden zu Bett. Entsprechend ruhig war die Stimmung beim Frühstück…

Halong16Man versteht sich an Bord

Vom zweiten Tag gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Nach dem Mittagessen (mit Softdrinks) nahmen wir die Rückfahrt in Angriff, machten – was für ein Zufall! –wieder am gleichen Ort eine kurze Kaffeepause (ob sich doch noch jemand dazu erweichen liess irgendetwas zu kaufen?). Gegen Abend kamen wir wieder in Hanoi an und wurden in den einzelnen Hotels abgeladen. So schnell gehörte die erlebte internationale Verbrüderung der Vergangenheit an.

Und trotzdem: Die Erinnerung an diesen magischen Abend in der Halong Bucht bleibt und bestärkt mich im Glauben, dass wir viele Probleme im Zusammenleben verschiedener Nationalitäten nicht hätten, wenn wir offen, ehrlich und vor allem auf Augenhöhe nur schon miteinander sprechen würden. Eine Mail von Kaisa, der polnischen Reisegefährtin bestärkt mich in diesem Glauben:

It’s funny, we were chatting and discussing politics for two days and I never learned your name :)) Somehow, the international understanding on this boat was so good we didn’t need any names to communicate. A phenomena which calls for special recognition of a sort.

Ich freue mich auf weitere Begegnungen – nicht nur auf dieser Reise…

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