Hoch über Flims wie vor 100 Jahren

Hoch über Flims wie vor 100 Jahren

Ich glaube es war Eleanor Roosevelt, die sagte: „Mache jeden Tag etwas, wovor du Angst hast“. Nun ja, ganz so weit muss man ja nicht gehen, aber so ein bisschen Nervenkitzel hat schon was. Und so kam es, dass ich zum ersten Mal auf dem Klettersteig herumkraxelte – und zwar auf dem Pinut oberhalb von Flims.

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Den Klettersteig Pinut gibt es seit mehr als 100 Jahren.

Den Klettersteig Pinut haben die Sennen schon vor mehr als 100 Jahren genutzt, um von Fidaz aus auf die 800 Meter höher gelegene Alp zu gelangen. Wir starten also an der Busstation Fidaz Pinut und laufen eine gute halbe Stunde durch den Wald in Richtung der Felswand.

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Ein netter Empfang im Wald.

Mit einem Guide auf den Pinut

Der Pinut kann zwar gut auf eigene Faust absolviert werden, doch meine beiden Freunde und ich haben uns aufgrund mangelnder Ausrüstung und Erfahrung einen Bergführer als Unterstützung organisiert. Mit Thomas Villars der Bergsportschule Alpine Action Unlimited in Flims haben wir den perfekten Bergführer gefunden. Er kennt nicht nur jeden Gipfel dieser Erde, sondern auch so manche Anekdote aus der hiesigen Bergregion. Eine absolute Bereicherung für die Tour, wie sich schnell herausstellte.

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Die eindrückliche Felswand von Fidaz aus.

Die Felswand, die uns bei Ankunft am Vorabend rechterhand empfangen hat, ist aus der Nähe betrachtet noch imposanter und wir haben jetzt schon einen Heidenrespekt vor dem Aufstieg. Los geht’s! Über die erste Leiter steigen wir in den Klettersteig ein und kurz darauf wartet der erste Höhepunkt auf uns: Der Weg führt hinter dem „Meilerstein“ durch – einer Felsnadel, die sich nur wenige Meter von der Felswand entfernt in die Höhe streckt.

Einer der Höhepunkte des Klettersteigs: der Meilerstein.

Die Aussicht ist schon jetzt fantastisch. Weiter geht es in eine Felshöhle hinein. Obwohl der Klettersteig 2007 renoviert wurde, gibt es noch immer Original-Treppen und -Stiege von Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammt auch die Holztür am Ende der Höhle. Früher war diese verschlossen und wer passieren wollte, musste sich unten im Dorf den Schlüssel für 10 Rappen ausleihen.

Von der Höhle aus blickt man direkt auf den Crestasee – die Vorfreude auf das kühle Bad wächst.

Die erste Rast machen wir an dem Ort, der dem Klettersteig den Namen gab: Pinut (Romanisch für „kleines Tännchen“). Früher wurde die Wiese auf diesem Felsvorsprung sogar gemäht – das Heu reichte aus, um zwei bis drei Kühe durch den Winter zu bringen. Ein Riesenaufwand in dieser Höhe…

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Zwischendurch bleibt immer etwas Zeit, um den Ausblick zu geniessen.

Wir klettern weiter über die zweite Felsstufe bis hinauf zur Halde Pardatsch, wo wir zum zweiten Mal ein Päuschen einlegen. Thomas erzählt: über den Flimser Bergsturz (einer der grössten der Welt übrigens) und die Entstehung des Oberengadins, über den Verkauf des Mountain Resorts Waldhaus Flims sowie den Bau des Umfahrungstunnels (mitsamt den Folgen), über die Villa des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, die genau unter uns liegt, und über die Gründe, warum ein Paar aus der Nachbarschaft kurz nach dem Einzug wieder aus ihrem neuen Haus ausgezogen ist.

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Schwindelfrei zu sein ist sicherlich ein Vorteil auf dem Klettersteig.

Frisch gestärkt klettern wir weiter über die Treppen und Felsvorsprünge der letzten Wand bis zum Ausstieg auf dem Flimserstein. „Schade, schon oben“, so mein erster Gedanke als ich meine Sicherungshaken vom Seil löste – „wow, was für eine Aussicht“, so mein zweiter.

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Thomas Villars von der Bergsportschule Alpine Action Unlimited bringt seine Gäste sicher die Berge hoch – und auch wieder runter.

Nach einem Spaziergang über die Alpweide kommen wir zum unerwartet anstrengendsten Teil der Route. Vom Flimserstein aus führt die steile „Scala Mola“ 500 Höhenmeter hinunter bis nach Bargis. Der ungepflasterte Weg ist kräfteraubend, aber die Aussicht auf die Gebirgszüge des UNESCO-Welterbes Sardona ist alle Mühen wert. Übrigens: am 17. September findet über diesen Weg der Alpabzug statt und rund 250 Kühe verlassen die saftigen Alpweiden in Richtung Tal. Ein Riesenspektakel!

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Vor dem Abstieg zum Berghaus Bargis…

…und der Anblick danach.

Beim Berghaus Bargis warten dann Apfelkuchen, Kaffee und jede Menge Wasser auf uns. Wir blicken nochmals hoch ins Gebirge. Ein bisschen stolz sind wir schon, auch wenn der Pinut als relativ leichter Klettersteig eingestuft wird. Und spätestens beim Bad im nahegelegenen Crestasee wird uns bewusst: aus dem anfänglichen Heidenrespekt wurde letztlich ein Heidenspass.

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Ein krönender Abschluss: Das Bad im Crestasee.

2 responses to Hoch über Flims wie vor 100 Jahren

  • tolle Bilder und schöner Beitrag. Da kriegen wir auch direkt Lust aufs Wandern und die Berge. Und der Crestasee sieht einfach traumhaft aus. Viel Spaß weiterhin beim Reisen & Wandern! 🙂

    • Simon sagt:

      Vielen Dank, es ist wirklich eine tolle Wanderregion. Es gibt übrigens noch ganz viele tolle Schweizer Wander- und Ausflugstipps auf travelistas.info zu entdecken 😊.
      Ebenfalls weiterhin gutes Reisen und Wandern und liebe Grüsse ☀️

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