Sich beim Süßkramdealer einmal wie bei Willi Wonka fühlen
Süßer Stoff für die Seele – im Berliner Süßkramdealer findet man feinstes und ausgefallenes Zuckerwerk in herrlich nostalgischem Ambiente.
Ich liebe ja kleine, versteckte und schnucklige Läden. Genauso einer ist der Süßkramdealer in der ehemaligen Zigarrenhandlung Loeser & Wolff in Berlin-Friedenau.
Eingangsbereich des Süßkramdealers
Bei schönem Wetter kann man auch draußen sitzen
Der Süßkramdealer ist bis unter die Decke mit Leckereien gefüllt
Den Wohlstand des 1906 entstandenen Ladens sieht und spürt man heute noch, denn die Ausstattung im opulenten Gründerzeitstil aus Mahagoni und Eiche ist nahezu komplett erhalten. Wie auch die alte Registrierkasse, mit der Inhaber Martin Hesse seine Waren täglich abrechnet.
Die alte Registrierkasse ist auch heute noch im Einsatz
Aber man sieht nicht nur, nein man riecht auch – den süß-herben Duft von Schokolade, der sich mit frischem Kaffeearoma vermischt, gleich wenn man den Laden betritt.
Und dann geht einem fast das Auge über: Feinstes, gegossen in Tafelform, Schokocremes, Karamell, Kakao, köstliche Pralinen – fast bis unter die Decke ist das kleine Geschäft mit den Leckereien gefüllt. Da fühlt man sich glatt wie bei Willi Wonka.
Hier gibt es Schokolade en masse
Nur, dass Martin Hesse, ungleich des Geschäftsnamens, alles andere als ein schräger Typ wie Willi Wonka ist. Im Gegenteil ist er ein herzlicher und kultivierter Mann, wie ich erfahren durfte.
Martin Hesse in seinem Laden (Copyright: Maria Dorner)
2005 mietet er den kleinen nostalgischen Laden, richtet ihn her und öffnet die Türen zu dem exklusiven Geschäft für feine Schokoladen, Kaffee und Geschenkartikel. Sechs Jahre später folgt dann die Ladenerweiterung um ein modernes Lokal.
Das Ladenlokal des Süßkramdealer
Uploaded by PrimCom Schweiz on 2015-11-24.
Ein filmischer Eindruck des Ladenlokals
Durch einen Durchbruch im alten Mahagoni-Regal betritt man wie einer Zeitschleuse gleich das urban gestaltete Kaffeehaus. Und so wird der Blick frei für eine völlig gegensätzliche (Einrichtungs-)Welt: während im Geschäft Süßigkeiten nach dem Prinzip eines Krämerladens zu bestaunen sind, laden im Kaffeehaus Geschenkartikel auf minimalistischen Stahlregalen zum Stöbern ein.
Sitzgelegenheiten im neuen Ladenlokal
In den kleinen Sitznischen kann man guten Kaffee und feines Gebäck zu sich nehmen, während man in entspannter Atmosphäre ausgesuchte Koch- und Backbücher durchstöbert.
Die schön geschmückte Tortentheke
Hesse kann man übrigens so gut wie alles zu seinen Produkten fragen – seine Leidenschaft und Begeisterung springen schnell auf den Gast über. Kein Wunder, dass Stammkunden und Kiezbewohner rund 50 Prozent seiner Klientel ausmachen. „Sie schätzen unsere familiäre Atmosphäre. Viele kennen wir beim Namen“, erklärt Hesse.
Laut ihm, sei wohl einer der skurrilsten Momente ganz zu Beginn gewesen, als im alten Teil des Ladens der 70. Geburtstag eines Nachbarn gefeiert wurde. “Acht Personen auf 25 qm, die alle semiprofessionelle Chorsänger waren und den ganzen Nachmittag geträllert haben – herrlich!”, erklärt der Inhaber, der sein ganzes Leben im hochwertigen Design-und Möbelsegment im Einzelhandel gearbeitet hat, bevor er den Süßkramdealer ins Leben rief.
Der Übergang vom alten in den neuen Teil
Der Süßkramdealer in der ehermaligen Zigarrenfabrik Loeser & Wolff
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Der alte Zigarrenladen
„Meine größte Passion ist “Dienen”, was heutzutage leider oft abschätzig betrachtet wird. Ich freue mich, wenn es den Menschen gut geht und ich ihnen die Wünsche von den Augen ablesen kann.”
Und mit dieser Einstellung sowie der Qualität und Exklusivität seiner Produkte erklärt sich wohl auch der Erfolg. „Sobald es etwas aus meinem Sortiment im Supermarkt zu kaufen gibt, nehme ich es raus“, erläutert er mir.
Doch es kommen nicht nur Stammgäste, sondern auch „Süßschnäbel“ aus der ganzen Stadt und mittlerweile viele Touristen, die auf den Weg zu Marlene Dietrichs Grab auf dem Künstlerfriedhof Friedenau einen Abstecher in den Laden machen.
Berliner Kaffee und Schokolade
Und bei diesem Abstecher kann man eben auch einen guten „Kaffe“ trinken, wie der Berliner sagt. Denn eine kleine Friedenauer Rösterei produziert eigens für den Süßkramdealer drei Kaffee-Mischungen.
Und das Schokoladensortiment wurde über Jahre hinweg liebevoll zusammengestellt. Neben Klassikern wie Caffarel, Dolfin, Majani oder Venchi entdeckt man auch regionale Hersteller und „Newcomer“-Manufakturen – alle persönlich von Hesse getestet und für gut befunden. Deshalb findet man im Süßkramdealer auch nie das gesamte Sortiment eines Händlers, sondern eine individuelle Auswahl.
Für Schleckermäulchen: Im Süßkramdealer darf man sich natürlich auf ausgewählte Patisserie freuen. Aber auch wer eher Lust auf etwas Herzhaftes hat, muss nicht hungrig bleiben: Es gibt Sandwiches in Bioqualität mit selbstgemachten Aufstrichen und saftige Quiche, zu denen man sehr gut ein Schlückchen der frischen Weine oder einen Sekt trinken kann. Denn Hesse und sein Team haben auch ausgewählte Weine, Schaumweine, Sekt und Frizzante im Angebot.
Liebevoll zubereitete Kaffeespezialitäten
Auch die Tortenauswahl lässt sich sehen
Geschenke – zum Fressen gern
Klasse statt Masse: Der Süßkramdealer lädt in jedem Fall auch zum Stöbern ein, vor allem, wenn man auf der Suche nach Geschenken ist. Deshalb gibt es nebst Schokolade auch Feinkost, wie Marmeladen, Honig, Gewürze, Aufstriche, besondere Essigsorten und Öle, Senf und Bio-Obstsäfte. Ergänzt wird diese Feinkost-Ecke durch eine Auswahl an empfehlenswerten und ebenfalls persönlich getesteten Kochbüchern. Zudem gibt es ausgewählte Geschenkartikel wie Porzellan, Keramik sowie hochwertige Papeterie – alles auf Märkten und Messen in ganz Europa entdeckt.
Ein Stück Berlin für den Heimweg
Und für alle, die nur zu Besuch in der Stadt sind, ist die Berlin-Box (ab 21,90 Euro) ein tolles Mitbringsel, wie ich finde. Sie enthält Kaiserhonig aus der Hauptstadt, den Fernsehturm-Lolli, eine historische Berlin-Postkarte (auf Wunsch mit persönlichem Text), Mokkabohnen vom Berliner Chocolatier Hamann und Salzstäbchen in dunkler Schokolade vom Berliner Chocolatier Wohlfahrt.
Toll ist auch die “Weihnachtspastete” des traditionsreichen Berliner Herstellers Sawade, die schon seit dem deutschen Kaiserreich (also noch vor dem ersten Weltkrieg) nach der gleichen Rezeptur hergestellt wird. Eine verschwenderische 260 g Mischung aus Maraschinokirschen (dicht an dicht), Marzipan, Nougat, Krokant und Schokolade.
„Mein Lieblingsprodukt ist derzeit das Premium-Marzipan von “Mest” aus Lübeck; eine kleine Manufaktur, die kaum jemand kennt und die in Berlin exklusiv bei mir zu haben ist. Und unsere Florentiner haben es mir auch gerade sehr angetan – kleine “Mandelhaufen”, karamellisiert und mit bitterer Schokolade überzogen. Es gibt keine besseren!“, erklärt mir Hesse zum Abschluss. Kann ich nur bestätigen.
Die Entscheidung fällt schwer
Und wen das immer noch nicht überzeugt, selbst Hildegard Knef, die in einer der Nebenstraßen aufwuchs, ging in dem alten Zigarrengeschäft als Mädchen ein und aus, da sie für ihren Vater stets Tabak kaufte. Und heute besucht die Berliner Lokalprominenz den Süßkramdealer, aber Hesse achtet die Privatsphäre seiner Gäste und schweigt galant …
One response to Sich beim Süßkramdealer einmal wie bei Willi Wonka fühlen
Ein fantastischer Bericht, der einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt!! Danke dafür!