Kanufahrt auf dem Stella

Kanufahrt auf dem Stella

Nur fliegen ist schöner: Ein Nachmittag im Kanu auf dem friulanischen Fluss Stella.

Seit ich im Lockdown den französischen Film „Nur fliegen ist schöner“ gesehen habe, habe ich eine wild-romantische Vorstellung von mehrtägigen Bootsfahrten auf einem naturbelassenen Flusslauf. Im Film entdeckt Michel, gerade fünfzig geworden und mitten in der schönsten Midlife-Crisis, das Kajak als Fortbewegungsmittel für sich.

Er nimmt sich eine einwöchige Auszeit von Alltag und Familie und lässt sich von seiner Frau an einem kleinen Flüsschen im Burgund absetzen. Weit kommt er mit seinem Kajak nicht, denn allerlei Unvorhergesehenes hält ihn immer wieder auf. Aber natürlich erkennt er am Ende, dass das Leben auch für ihn noch einiges Neues bereithält, nicht zuletzt dank der Bekanntschaft mit der am Fluss lebenden schönen Laetitia….

Abseits dieses einfachen Handlungsgerüstes vermittelt der Plot aber genau, was ich mir unter perfekter Entschleunigung vorstelle: Sich-Treiben-lassen, nur im Notfall steuern und die nächste Biegung einfach auf sich zukommen lassen.

Auszeit nahe Lignano

Ich bin also sehr neugierig, als ich die Gelegenheit habe, an einer zweistündigen Fahrt auf dem Stella, einem kleinen, unregulierten und naturbelassenen Flüsschen, das nahe des italienischen Badeortes Lignano in die Adria mündet, teilzunehmen. Wir fahren in Kanus, nicht Kajaks, das hat den Vorteil, dass keiner von uns im Vorfeld noch schnell Kajakrollen üben muss.

Wir sitzen zu zweit im Boot, davon verspreche ich mir ein leichteres und weniger anstrengendes Unterfangen. Niemand in der Gruppe hat etwas Ähnliches bereits versucht, wir sind alle blutige Anfänger. Mit fünf Kanus und unseren beiden Guides Michele und Marta machen wir uns bereit.

Michele gibt uns eine rasche Einführung in die wichtigsten Techniken: die Füsse unter der Bank vergrätschen oder mit den Knien am Boden die Beine nach hinten abwinkeln – damit sitzt man stabil und hat viel Spielraum zum Paddeln. Der Vordermann gibt den Motor, der Hintermann das Steuer. Soweit die Theorie. Alle bekommen Schwimmwesten und Helme, dann geht es auch schon los.

Die Kanus sind stabil, aber auch ein wenig behäbig, wir kämpfen anfangs doch damit, das Kanu auf Kurs zu halten, machen mehrere 360-Grad-Turns und landen auch einige Male in den Büschen am Ufer, ich als Vordermann mitten im Geäst.

Eine Schildkröte, wahrscheinlich hier ausgesetzt worden, hat sich eben noch am Ufer gesonnt und springt erschrocken vor uns ins Wasser. Aber nach der ersten Viertelstunde haben wir den Dreh heraus und beginnen, die Umgebung zu genießen. Und die ist genauso idyllisch, wie ich mir das erhofft hatte.

Naturreservat Foci dello Stella

Michele erzählt uns während der Fahrt einiges über die üppige Vegetation und die reiche Fauna des nur 45 Kilometer langen Flüsschens, das an seiner Mündung auch Naturreservat, die „Riserva Naturale Foci dello Stella“ ist. Mit mehr Ruhe und Beobachtungsgabe liessen sich hier etliche seltene Vogelarten beobachten. Wir begnügen uns mit den vielen wunderschönen schwarzblauen Libellen und der Ursprünglichkeit der Vegetation.

Auf der ganzen Strecke begegnet uns kein anderes Boot, der Fluss gehört uns ganz alleine und wir genießen die Stille, die Sonne und die friedliche Atmosphäre. Gut, dass es wenig Strömung und kaum zu umschiffende Hindernisse gibt auf dem Stella.

Nach guten eineinhalb Stunden legen wir an und die kommenden Kilometer per Auto zurück: Zum Abschluss wollen wir noch einen Sprung bei Daniele Ciprian und seiner „Bilancia di Bepi“ in Palazzolo dello Stella ein Stück weiter Fluss-abwärts vorbeischauen.

Traditioneller Fischfang

Daniele betreibt die Bilancia bereits in dritter Generation: ein 25×25 Meter großes Fischernetz, das über den gesamten Fluss gespannt ist. In regelmäßigen Abständen wird es per Elektromotor ins Wasser abgesenkt und nach einiger Zeit wieder hochgezogen – an guten Tagen mit einer reichen Beute an frischem Fisch. Eine traditionelle Fangart, die noch dazu sehr schonend ist. Daniele demonstriert uns, wie’s funktioniert.

Der Fang ist durch das rasche Wiederhochziehen des Netzes sehr bescheiden, die Funktionsweise allerdings umso beeindruckender. In seinem Casone am Flussufer serviert er uns anschließend frischen frittierten Fisch – ein bunter Mix aus Meeres- und Süßwasserfischen, denn beides findet sich im Stella aufgrund der nahen Mündung ins Meer. Je nach Tageszeit, Strömung und Jahreszeit in unterschiedlicher Zusammensetzung.

Ernest Hemingway auf der Spur

Schon Danieles Großvater hat hier so gefischt und damit auch Ernest Hemingway und seine Frau Marie beeindruckt, die ihn mehrmals in seiner Bilancia di Bepi besucht haben. Dem passionierten Fischer Hemingway begegnet man hier in der Lagunenlandschaft beinahe auf Schritt und Tritt. Ob er bei der Bilancia auch so köstlichen pesce fritto gegessen hat, ist nicht überliefert. Zum Fisch bekommen wir ein Glas köstlichen Ribolla Giallo, der auf den Weingütern der umliegenden Lagune produziert wird.

Sicher gibt es noch etliche Biegungen des Stella, hinter denen sich so manches entdecken ließe. Beim nächsten Mal.

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