Schwimmend um die Tremiti Inseln – Italiens bestgehütetes Geheimnis

Schwimmend um die Tremiti Inseln – Italiens bestgehütetes Geheimnis

Ich hatte Riesenrespekt. Vier Kilometer täglich schwimmen, fünf Tage lang – würde ich das schaffen? So war der Schwimmtrekk auf den Tremiti Inseln in Italien ausgeschrieben und mit «moderate» bezeichnet.

Die Tremiti Inseln – ein Archipel in der Adria

Wo sind überhaupt diese Tremiti Inseln? Nie vorher hatte ich von dem Archipel gehört. Die fünf Inseln sind die einzigen italienischen Inseln in der Adria und Teil des Gargano-Nationalparks, der quasi den Sporen des Stiefels von Italien bildet. Zwischen den beiden Hauptinseln San Domino und San Nicola tummeln sich Fischer-, Miet- und Ausflugsboote in herrlich türkisfarbenem Wasser.

Eine Karte der Tremiti Inseln

Fünf Inseln bilden zusammen das Archipel der Tremiti Inseln: San Domino, San Nicola, Capraia, Cretaccio und Pianosa (weiter entfernt, nicht auf dem Bild)

San Domino ist dicht bewaldet und touristisch am erschlossensten, die karge Insel San Nicola ist Heimat von ganzen 18 Bewohnern und wird von der wuchtigen Abtei von Benediktinermönchen aus dem 11. Jahrhundert dominiert. Autofahren ist – ausser für Anwohner – auf beiden Inseln verboten. Capraia und Cretaccio sind gänzlich unbewohnt und Pianosa praktisch nur eine Felsfläche 20 Kilometer weit entfernt. Mit den Kiefernwäldern, den Kalksteinklippen, den felsigen Stränden und dem türkisfarbenen Wasser sehen die fünf Perlen im Meer fast eher kroatisch als italienisch aus.

Blick von San Domino auf San Nicola, Capraia und Cretaccio, historische Gebäude eines Benediktinerklosters auf San Domino

Artenreiche Unterwasserwelt, Karibikfeeling und italienische Küche

Die Beschreibung des Schwimmtrekks und der Destination klang vielversprechend: Kristallklares Wasser mit Höhlen, Kavernen und Steinbögen. Eine vielfältige Unterwasserwelt. Schwimmen würden wir der Küste entlang, von Insel zu Insel oder ganz um einzelne Inseln herum – je nach Wind und Wetter. Ausgangspunkt für die ganze Woche war das Hotel La Vela auf San Domino, das auf der Website sehr gemütlich aussah. Und essen würden wir (viele) italienische Köstlichkeiten – Schwimmen macht hungrig!

Die Tremiti Inseln locken mit kristallklarem Wasser, Höhlenformationen, zwei Boote vor einem schneeweissen Strand unter hohen Sandsteinklippen

Schwimmtrekking ist auch für Nicht-Triathleten

So weit, so gut. Da blieben noch die vier Kilometer täglich. Natürlich hatte ich meine Freundin Unda, die das Ganze initiiert hatte, über ihre Schwimmtrek-Erfahrungen ausgefragt. Ich schwimme super gerne, bin Winterschwimmerin und ständig im Zürisee in den Badis unterwegs, mache bei Seeüberquerungen mit und hatte etwa drei, vier Monate vorher angefangen, regelmässig ein bis zwei Mal die Woche einen Kilometer im Hallenbad oder im See zu schwimmen. Aber dennoch… ob das reichen würde?

Noch ist alles neu und aufregend: Erstes Briefing an Land.

Teilnehmer hören den Erklärungen der Swimtrek-Guides zu

Videoanalyse und Schwimmtipps inklusive

Es reicht! Und es ist ein Riesenspass! Ähnlich wie in der Skischule gibt’s nach dem ersten Briefing eine Einstufung in drei Gruppen: Pinke Bademützen für die ganz schnellen, orange für die mittlere und gelb für die «Sightseeing-Gruppe». Jeder und jede einzelne wird über und unter Wasser beim Schwimmen gefilmt und der Stil später analysiert. Auf Verbesserungstipps freute ich mich besonders. Und ich kann Euch jetzt schon verraten: Ich schwimme schneller seit der Woche in Italien!

Motivierend und aufschlussreich: Die Guides geben den Teilnehmern wertvolle Tipps bei der Videoanalyse.

Swimtrek-Teilnehmer und Guide analysieren das Video des Schwimmstils

Sightseeing und Schwimmen kombiniert

In netter, motivierter und motivierender Gesellschaft, komme ich mir im türkis schimmernden Wasser während der je zwei Tagesetappen manchmal vor wie im Aquarium– und die Kilometer schwimmen sich fast von allein. Statt in Bestzeit die Strecke abzuspulen, wird gelacht, geplaudert, über Fischschwärme unter Wasser oder die Szenerie über Wasser gestaunt. Wer sich schonen will, zieht sich kurze Flossen an, wer kalt hat, kommt in Neopren, wer die Sonne meiden möchte, im UV-Shirt. «Alles kann, nichts muss», war das Motto.

Schwimmer formen einen Seestern im Wasser.

Fast schon Synchronschwimmen: Beim Swimtrekt bleibt Zeit für Spass im Wasser.

Alle wollten dasselbe: Der australische Helikopterpilot, der südafrikanische Anästhesiespezialist für Herzoperationen, der amerikanische Chocolatier, die kanadische Regierungsangestellte oder die Lehrerinnen aus Deutschland und den USA. Vom 18-Jährigen im Zwischenjahr bis zur 75-jährigen Rentnerin – alle wollten schwimmen!

Eine Gruppe von Schwimmern im Wasser.

Jung oder alt, dick oder dünn – im Wasser spielt alles keine Rolle. Hauptsache, man schwimmt gerne.

Sicherheit vor allem

Der Schwimmtrek-Ablauf ist unabhängig von der Destination immer derselbe: Vor jeder Tour gibt es ein Briefing zur Strecke, Besonderheiten, Strömungen, Windverhältnissen etc. Geschwommen wird in der Gruppe, gut behütet von einem Beiboot. Die wichtigsten Bedürfnisse und Anweisungen werden per Zeichensprache geklärt: Hand auf den Kopf heisst: Es geht mir gut. Faust nach oben: Achtung, Qualle! Wildes Winken und Rufen: Hilfe! Beide Arme des Bootsführers über Kreuz in die Höhe: Etappenziel ist erreicht, alle zurück zum Boot. Die Boote stehen jederzeit zur Verfügung – ob nur für eine Trinkpause, oder um sich auszuruhen und statt zu schwimmen, mitzufahren.

Vor jedem Schwimmgang gibt es ein Briefing über die Strecke und Besonderheiten durch die Guides, die Boote begleiten die Schwimmer während der gesamten Etappe – hier bei der Querung von Capraia nach San Domino.

Lucio Dallas Geheimtipp San Domino

Da die Distanzen auf den Tremiti Inseln kurz sind, fahren wir jeden Mittag mit den Booten zurück zum Hafen von San Domino und gehen zu Fuss die zehn Minuten zum Hotel. Schnell duschen, was überziehen und ab zum Essen ins angesagteste Restaurant am Hauptplatz des einzigen Dorfs der Insel: La Fenice. Hier warten schon Salate, Pasta und Risotto auf uns sowie zum Abschluss eine «Crema al Caffè», ein traumhafter italienischer Eiskaffee.

Und schon lockt die Terrasse des Hotels zum Chillen und Ausruhen – Zikadenkonzert und Blick auf die wunderschöne Villa von Lucio Dalla inklusive. Auch der italienische Kultsänger hatte die relaxte Atmosphäre der Inseln geliebt und zu seiner Wahlheimat erklärt, um hier einige seiner Lieder zu schreiben. Seine Villa an traumhafter Lage über der Matano-Bucht kann man heute als Ferienhaus mieten

Unser Lieblingsort im Hotel für die wohlverdiente Siesta: Die Terrasse mit herrlicher Aussicht auf die Villa von Lucio Dalla und die Matano-Bucht – Zirkadenkonzert inklusive. Hotelterrasse mit Liegestühlen und herrlicher Aussicht auf Pinienwälder und das Meer,

Stürmische Vergangenheit auf Tremiti

So gechilled wie heute ging es auf Tremiti nicht immer zu. Über Jahrtausende hinweg nutzten römische und italienische Herrscher die abgelegenen Inseln als Strafkolonie. Schon Kaiser Augustus verbannte seine Enkelin wegen Ehebruchs auf die Tremiti Inseln. 1911 wurden fast 1500 Libyer hierher deportiert, von denen fast ein Drittel innerhalb weniger Monate den Tod fand. Mussolini schliesslich internierte Homosexuelle unter harten Bedingungen auf San Domino, die letztendlich hier jedoch relativ grosse Freiheiten genossen und blieben.

Wurde gern als Strafkolonie genutzt – das unwirtliche San Nicola

Wurde gern als Strafkolonie genutzt – das unwirtliche San Nicola

Tremiti Inseln: Paradies für Taucher, Schnorchler und Sonnenanbeter

Heute zeugen nur noch alte Mauern und Geschichten von der bewegten Vergangenheit. Ansonsten ist es ruhig, bis auf Juli und August, wenn es von Urlaubern wimmelt. Traumhafte Buchten mit klingenden Namen wie Cala delle Arene, Cala Tramontana oder Cala Tonda ziehen Sonnenanbeter an – auf den felsigen Stränden stehen auf Holzplattformen Liegestühle und Sonnenschirme zur Verfügung. Erreichbar sind die Buchten zum Teil zu Fuss, sonst per Boot. Unter Wasser locken Höhlen, Felsbögen, sogar Flugzeugwracks aus dem Zweiten Weltkrieg. Ganze Fischschwärme ziehen an uns vorbei, Seesterne liegen auf dem Grund und eine uralte Schildkröte zieht ihre Runde.

Die Tamariello-Bucht mit türkisem Wasser, Sonnenschirm und Liegen auf San Domino, schwimmen macht glücklich und die Energie reicht sogar noch für Kopfstände nach Sonnenuntergang.

Ein Heiliger in der Tiefe: Padre Pio vollbringt Wunder

Versunkenes Highlight zwischen Capraia und San Nicola ist die vier Meter hohe Statue von Padre Pio (1887-1963), dem bekannten und beliebten Heiligen der Katholiken, die in über zehn Meter Tiefe auf den Grund gelassen wurde. Bereits vom Boot ist die Statue zu sehen, noch besser natürlich vom Wasser aus. Unsere irisch-stämmige Mitschwimmerin, eine gläubig erzogene Katholikin ist extrem erfreut über den Anblick und kann sich vom Anblick schwer losreissen. Wieder an Bord unseres Boots erfährt sie per WhatsApp, dass ihre TV-Produktionsfirma gerade einen Award für die neue Show gewonnen hat. Anscheinend kann Pater Pio immer noch Wunder vollbringen?! Dann wünsche ich mir gerne ab jetzt jährlich eine Schwimmreise – hoffentlich immer so schön wie die auf den Tremiti Inseln!

Die Statue vom beliebten Heiligen Italiens, Padre Pio, wurde zwischen den Inseln versenkt und lockt Taucher und Touristen an. Happy Sabine über Padre Pio – vielleicht hilft’s bei der Wunscherfüllung für noch mehr tolle Schwimmtreks! (Copyright: www.jillanniemargaret.com)

Informationen Schwimmtrekkings

Es gibt mehrere Veranstalter, die Schwimmreisen organisieren. Ich war hier mit Swim Trek unterwegs. Sie bieten Ziele auf der ganzen Welt an – da muss ich noch einiges ausprobieren!

Weitere Anbieter sind z. B. Strel Swimming Adventures für Ziele in Europa, Mexiko und den USA oder The Big Blue Swim, die nur Schwimmreisen nach Griechenland anbieten.  

Die Auswahl ist gross – probiert es mal! Schwimmen macht froh!

Anreise auf die Tremiti Inseln

Entdeckung Termoli – Bijou an der Adria

Auf die Inseln geht’s am besten via Termoli – für mich eine echte Entdeckung: Ein gepflegtes, kleines Städtchen mit schöner Fussgängerzone, tollem Sandstrand und pittoresker Altstadt auf einer Landzunge inklusive Festungsanlage und grossem Dom. Hier lässt sich toll essen, z.B. feine Slow-Food-Fischgerichte in der Osteria dentro le Mura oder ganz ungezwungen ein paar Meter daneben auf der Mauer im Eattico pesce di strada.

Termoli ist ein echtes Bijou an der Adria – von hier geht’s auf die Tremiti Inseln.

Blick auf die Altstadt von Termoli vom Strand

Übernachtungstipp:

Direkt neben dem Dom im ehemaligen Bischofssitz aus dem 16. Jahrhundert in der Dimora Stephanus. Geräumige Zimmer mit Blick direkt auf den Domplatz und Hafen. Gästen wird eine gratis Tour durch das unterirdische Termoli der Antike angeboten.

Flug:

Auf die Tremiti Inseln kommt man via Flug nach Bari oder Pescara, dann weiter mit dem Zug oder Mietauto nach Termoli.

Zug:

Ich bin direkt mit dem Zug ab Zürich angereist – mit nur einem Mal umsteigen in Mailand, dann die ganze Küste runter bis nach Termoli. Ab Mailand fährt der Frecciarossa in knapp sechs Stunden. Tipp: Bahnreisen nach Italien bucht man von der Schweiz am besten über das Reisezentrum der Forchbahn – das Team ist super und kennt praktisch jeden Zug und Bahnhof inkl. Hindernisse, Verspätungspotential etc. persönlich. Gold wert!

Schiff:

Ab Termoli setzen mehrmals täglich Fähren und Schnellboote auf die Tremiti-Inseln nach San Domino oder San Nicola über. Fahrzeit ca. 1 Stunde.

Helikopter:

Nach San Domino kann man auch mit dem Helikopter fliegen. Die Hubschrauberverbindung Tremiti-Vieste-Foggia wird von Alidaunia betrieben (20 Min., ca. 60 Euro one-way p. P.).

Hoteltipp:

Doppelzimmer im Hotel La Vela auf San Domino ab 105 Euro (geöffnet von Mitte Mai bis Ende September).

Fotos: Susan Graham (Instagram: __susangraham), Jill Annie Margaret, Sabine Biedermann. Insta verlinken

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